„Mut, Kreativität und die Bereitschaft, zu scheitern – nur auf diesem Fundament können Durchbrüche und Quantensprünge gelingen.“
So hat es mir vor Jahren der Bergsteiger Reinhold Messner gesagt.
„In den Momenten des Nicht-mehr-ein-noch-Auswissens wächst dir die Kraft zu, weiter zu kommen.“
Bis heute ist mir dieser Satz präsent. Wie gehen wir mit dem Scheitern um? Mit den Momenten der Niederlagen und inneren Ausweglosigkeit? Haben wir den Mut, darüber zu sprechen? Mut, anderen mitzuteilen, wie trübe und bedrückend es in diesen Augenblicken in unserer Seele aussieht?
Jemand, der diesen Prozess packend greifbar und miterlebbar beschreibt, ist der Essener Autor Erhard Meyer-Galow in seinem Buch „Leben im goldenen Wind“. Als Vorstandsvorsitzender großer deutscher Industriekonzerne war der Professor für Chemiker geradezu prädestiniert für die allererste Reihe im handverlesenen Kreis erlauchter Dax-Konzerne. Doch es kam anders.
Das Buch – der Autor beschreibt es als Reifungs- und Transformationsprozess eines Topmanagers – lässt erahnen, unter welchem Druck und Zwang zur Uniformität Industrielenker heute stehen. Leisten, kämpfen, siegen – diesen Dreikampf gilt es täglich mit jugendlichem Elan zu meistern. Wer nicht pariert, wird gnadenlos ausgemustert. Wen dieses Los trifft, der verabschiedet sich schweigend. Doch aus der vermeintlichen Niederlage, dem Scheitern, dem Zusammenbruch entspringt die nächste Stufe des Lebens. Das ist die Geburtsstunde des Goldenen Windes. Erhard Meyer-Galow bezeichnet ihn als Herbstwind.
Diese erfrischende Brise entspringt in der Reifezeit des Lebens. Wenn dem brachialen „Schneller, Höher, Weiter“ mit einem Schmunzeln begegnet werden kann – endlich. Das 430 Seiten starke Werk liest sich wie ein literarisch tiefer Atemzug innerer Erleichterung. Kernstück des Buches sind die zwölf Erfahrungsräume Arbeit, Krankheit, Natur, Tiere, Musik, Tanz, Sport, Bildende Kunst, Malen, Begegnung, Religion und Alltag, in und mit denen Erhard Meyer-Galow die Achtsamkeit im Augenblick schult und konzentriert.
Das vorliegende Werk zeigt, welch weites Feld unsere Talente und Neigungen uns bieten können – wenn wir sie zulassen. „In der Evolution überleben nie die Großen, sondern immer die Vielfalt“, schreibt der Autor. Dafür ist Leben im Goldenen Wind eine tiefgehende Einladung.
Ich habe das Buch mittlerweile zum dritten Mal gelesen. Mit jeder Wiederholung fand ich neue, reichere und tiefgehende Aspekte der Entfaltung, Entwicklung und Anregung. „Für das Altwerden haben wir Zeit ab 80 oder später“, so sage ich es meinen Mandanten seit Jahren. Fangen wir bis dahin den Goldenen Wind mit unseren gesetzten Segeln auf. Damit er sich in Aktivierungsenergie für ein erfülltes Leben umwandelt.
Stefan Kerzel ist Wirtschaftsmediator, Persönlichkeits- und Unternehmensentwickler in Essen