Die Frage nach dem Sinn unseres Lebens ist eigentlich die wichtigste Frage überhaupt.
Erschreckend ist es, wie wenig Menschen sich damit beschäftigen. Du fragst danach. Das finde ich toll. Ich gratuliere ehrlich – Du bist dann in Deiner Entwicklung schon sehr weit.
Ich praktiziere nun 30 Jahre die ZEN-Meditation. Das begann bei Karlfried Graf Dürckheim und jetzt bin ich Schüler von Willigis Jäger. Das Ziel jeglicher Meditation ist es den Sinn des Lebens zu erfahren und im Laufe des Lebens gelassener, heiterer, gütiger zu werden und vor allen Dingen ein grenzenloses Mitgefühl für alle Wesen zu entwickeln.
Für Dürckheim, für Willigis Jäger und für mich ist der Sinn des Lebens:
„Transparenz der immanenten Transzendenz“
Kein Schreck vor dieser komplizierten Formulierung. Ich werde sie übersetzen:
Dafür, also für die Erfahrung Gottes, des göttlichen Prinzips, offen zu werden, heißt, TRANSPARENT zu werden.
Der Sinn des Lebens ist also für das Unbenennbare offen zu werden durch einen Übungsweg, bei dem diese Offenheit wachsen kann.
Dann lösen sich alle Probleme auf, die aus unserer EGO-Zentrierung kommen, alles Leiden löst sich auf.
Leiden zwingt uns auf den Weg. So werden wir dauerhaft glücklich, oder besser glückselig
(glückselig = im Ganzen einfach und zutiefst – innerlich – zufrieden zu sein).
Wenn wir abgetrennt leben von diesem Prinzip, werden wir krank und leiden bis wir aufwachen und uns auf den Weg begeben. Wenn wir das nicht begreifen, sterben wir leidvoll. Wenn wir aufwachen, werden wir weniger krank und sterben auch, aber nicht voller Leiden, sondern gelassen.
Ich nenne diese Wirklichkeit GOLDENER WIND in meinem Buch „Leben im Goldenen Wind“ und zeige darin leichte Wege auf, den Sinn des Lebens zu erfahren.
Wenn man den Sinn des Lebens verstanden hat und sich einem inneren Wachstumsprozess zuwendet, was sind dann die Entwicklungsziele für das dritte Lebensdrittel? Bill Plotkin hat in seinem Buch „Nature and The Human Soul“ für die Stufen sieben und acht, also für das frühe Alter und das späte Alter, die Entwicklungsziele klar definiert, denen ich auch zustimmen kann (frei von mir übersetzt und Kernaussagen zusammengefasst):
„Die Rolle der 60- bis 75-Jährigen ist die des MEISTERS als Archetyp in dem Hain der Gemeinschaft der Älteren. Ihre Aufgabe ist es, sich um die ‚WELTSEELE‘ zu kümmern, das heißt, sie sollten dafür sorgen, dass die Menschengemeinschaft im Gleichgewicht mit der Natur lebt.“
Diese Fürsorge hat mindestens fünf Komponenten:
OHNE ZWEIFEL IST DIESE LEBENSPHASE DIE BESTE IM GANZEN LEBEN!
Es gelingt allerdings nur, diese Phase als die beste zu erleben, wenn man durch stetiges ÜBEN eine gewisse Meisterschaft auch erreicht hat. Leichter ist das möglich nach einem Erwachen für inneres Wachstum schon in der Lebensmitte und nachfolgendem beharrlichen täglichen Üben, sodass man dann bei Eintritt in das siebte Achtel vorbereitet ist. Dann kann man seine ganze Zeit, die man nach dem Beruf und nach dem Großziehen der Kinder gewonnen hat, nutzen. Dann stellt sich auch nicht mehr die Frage, wenn das berufliche und elterliche Wirken zu Ende ist: „WAS NUN?“ Man ist voll konzentriert auf die Beantwortung der Sinnfrage des eigenen Lebens.
Aber keine Enttäuschung und Traurigkeit, wenn man nicht so früh begonnen hat. Noch ist es nicht zu spät. Es wird allerdings mühsamer, die früheren Verhaftungen und Konditionierungen, die aus der ICH-Zentrierung resultieren und für all das Unglück und Leid verantwortlich sind, zu lösen…
Wie beantworten meine beiden Lehrer Graf Dürckheim und Willigis Jäger die Frage nach dem Sinn des Lebens? Willigis Jäger in seinem Buch „Suche nach dem Sinn des Lebens“: „Es gibt dieses alles durchdringende Leben, das wir GOTT nennen, das Absolute, die letzte Wirklichkeit, das wahre Sein usw. Dieses wahre Sein ist die Tiefe unserer Existenz. Es ist das Sein, aus dem wir leben. Besser ausgedrückt: Es ist das Sein, das in uns und durch uns lebt.
Wir sind seine Ausdrucksform. Unser ICH-Bewusstsein hält uns ab, dieses unser wahres Sein zu erfahren. Wir wissen nicht, wer wir wirklich sind. Wer wir wirklich sind, können wir auch nicht wissen. Wir können es nur erfahren. Unser ICH-Bewusstsein schneidet uns von der Erfahrung ab, nicht vom Sein selber. Wenn wir aber von der Erfahrung des göttlichen Seins abgeschnitten sind, hat es auch keinen Einfluss auf unser Leben. Eine nur philosophische, theologische, rituelle und sakramentale Begegnung mit dem wahren Sein kann dessen Kraft nicht voll wirksam werden lassen.
“DER SINN DES LEBENS IST ES, UNSERE UND ALLER WESEN GÖTTLICHKEIT ZU ERFAHREN!“
An anderer Stelle führt er weiter aus: „Man kann dieses wahre Wesen göttliches Leben nennen, man kann es Allah oder Brahman nennen, aber das ist unsere eigentliche Identität, und diese Identität zu erfahren, das ist die Sinndeutung für unser Leben. Ob ich etwas sinnvoll nenne, ob ich es absurd nenne, das ist wieder auf der rationalen Ebene. Aber auf der Seinsebene gibt es absurd, richtig, flach, oben, unten nicht. Die Blume ist diese Blume und der Berg ist dieser Berg. Es gibt im Grunde genommen auch keinen Vergleich. Es ist immer der Vollzug dieser Wirklichkeit. Ob ich das als Mensch gut oder böse, richtig oder falsch nenne, hat auf dieser Ebene keine Bedeutung.“
Nun in meiner Sprache: „Der Sinn des Lebens ist es, den GOLDENEN WIND zu erfahren.“
Karlfried Graf Dürckheim beantwortete die Frage nach dem Sinn des Lebens folgendermaßen:
„DER SINN DES LEBENS IST DIE TRANSPARENZ FÜR DIE IMMANENNTE TRANSZENDENZ.“
Er meint damit, dass man offen werden soll, die Wirklichkeit, die er hier Transzendenz nennt und die immer da ist, zu erfahren. Jeder versucht also in seiner Sprache den Sinn des Lebens zu formulieren. Es sind unterschiedliche Ausdrucksweisen, aber die Antwort nach dem Sinn des Lebens ist immer dieselbe.
Er formulierte aber auch an anderen Stellen:
„DER SINN DES LEBENS IST, DAS WESEN ZU ERFAHREN. DAS WESEN IST DIE WEISE, IN DER DAS ÜBERRAUMZEITLICHE SEIN IN UNS UND DURCH UNS MANIFEST WERDEN WILL IN DER WELT!“
“Für das Unbenennbare offen werden und daran innerlich wachsen.”