(…) Thomas Arzt empfahl mir das Buch von Richard Tarnas: „Cosmos and Psyche“ und besonders sein Essay „Is the modern Psyche Undergoing a Rite of Passage?“.
Er zitiert C. G. Jung am Beginn seines Essays (von mir frei übersetzt):
„Eine Stimmung der universalen Zerstörung und der Erneuerung macht sich in unserem Zeitalter bemerkbar. Diese Stimmung ist überall zu spüren, im politischen, im sozialen wie auch im philosophischen Bereich. Wir leben in einer Zeit, die die Griechen „kairos“ − den richtigen Moment für eine ‚Metamorphose der Götter‘ − nennen, eine Änderung der Prinzipien und Symbole. Diese Eigenart unserer heutigen Zeit, die wir nicht bewusst ausgesucht haben, ist der Ausdruck des KOLLEKTIVEN UNBEWUSSTEN der Menschheit in uns, das sich jetzt ändert. Zukünftige Generationen werden dieser Änderung Rechnung tragen müssen, wenn sie sich nicht durch die Macht der eigenen Technologie und Wissenschaft zerstören wollen … es steht so viel auf dem Spiel und es hängt so viel von der psychischen Verfassung des modernen Menschen ab.“
Prof. Dr. Erhard Meyer-Galow
Wir leben in einer Zeit, in der alles, was durch Egozentrik und Gier zusammengefügt wurde, auseinanderbricht und sich neue Strukturen herausbilden. Die Revolutionen in Tunesien, Ägypten, Libyen und anderen arabischen Ländern fegen ihre Despoten hinweg. Die nach Freiheit und nach einem menschenwürdigen leben strebenden Menschen bahnen sich den Weg unter Einsatz ihres Lebens. Manche Revolution mag kurzfristig mit Gewalt aufzuhalten sein, langfristig aber nicht.
Es bricht aber auch auseinander, was in der Natur zusammengefügt ist, eine Natur, deren der Mensch sich in seinem materiellen Wachstumswahn bedient, wie bei dem Erdbeben in Japan mit einer Stärke von 8,9 auf der Richterskala. Das Erdbeben und der anschließende Tsunami zerstörten, was der Mensch zusammengefügt hatte, in Sekunden und Minuten, so auch nicht erwartet. Wiederum ein unerwarteter SCHWARZER SCHWAN. Die Kernschmelze im Reaktor von Fukushima hat verheerende Auswirkungen. Hätte man überhaupt Kernkraftwerke bauen dürfen? Die Strahlenschäden werden bei vielen Menschen auftreten. Mit großem Mitgefühl ist man bei den vielen Betroffenen.
Dieses Unglück erinnert mich an die spätere Aussage von Jesuitenpater und ZEN-Meister Hugo Makibi Enomiya-Lassalle, der ein Opfer von Hiroshima war und der über den Wachstumswahn in der Nachkriegszeit entsetzt war. Er sagte, es müsse wohl erst ein weiteres Hiroshima kommen, damit die Menschen aufwachen und erkennen, dass es so nicht weitergehen kann.
Erstes Fazit: Wir sind in einer Phase höchster Instabilität. Solche Phasen gab es in der Geschichte immer. Es waren dann Transformationsphasen. Meiner Meinung nach stirbt aber zur Zeit, wie Thomas Arzt sagt, unsere abendländische Bewusstseinsverfassung. Die durch das Internet beschleunigte Globalisierung schreitet voran, aber unser Bewusstsein kommt gar nicht mit.
Wir versuchen immer wieder mit Mustern aus der Vergangenheit die heutigen Probleme zu lösen. Die Ankündigungen der Politiker zeigen das. Es ist tragisch, weil sie sich bemühen, aber aus ihrer stagnierenden und nicht weiterentwickelten Sicht uns nicht den Weg in die Zukunft weisen können.
„Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ − eine Verzweiflungstat. Um was für einen Preis? Die Verschuldung des Bundes, der Länder und der Gemeinden erreichte Ende 2010 als Ergebnis von Misswirtschaft, bedenkenlosem Geldausgeben und wegen der verschiedenen Rettungsmaßnahmen einen Höchststand von 2.000 Milliarden Euro!
Das ist eine Pro-Kopf-Verschuldung von 24.000 Euro − 18 % mehr als 2009.
KINDLE EDITION | Leben im Goldenen Wind
„Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt“, sagt uns unsere Regierung, wenn man uns jetzt Korrekturmaßnahmen verkaufen will. Welch ein Hohn. Nicht wir haben über unsere Verhältnisse gelebt, sondern die Politiker haben uns über unsere Verhältnisse und unseren Kopf hinweg überschuldet.
In den vergangenen zwei Jahren haben die EU-Staaten 4.600 Milliarden Euro für die Banken bereitgestellt. Im Eilverfahren hat unsere Regierung den Banken-Rettungsfond SOFFIN gegründet. Der Euro-Rettungsschirm hat ein Volumen von 750 Milliarden Euro. Dieser Rettungsschirm stabilisiert aber das Vertrauen immer nur kurzfristig, wie wir verfolgen können, da die Ursachen für die Krisen nicht ausreichend behoben werden.
189 VWL-Professoren warnen vor einer Ausweitung des Rettungsschirms, die langfristig fatale Auswirkungen auf die europäische Integration hätte.
Wenn die Beteiligung privater Gläubiger am Rettungsschirm kommt, werden viele Banken an dieser Last schwer tragen und in Existenznot kommen.
Der IWF verliert die Geduld mit Europa. Er warnt, dass die Finanzturbulenzen in Europa von der Peripherie auf die Kernländer übergreifen könnte. Er dringt auf eine schnelle Lösung der Schuldenkrise (FAZ 26.1.2011) Von einer Stabilisierung des Finanzsystems sind wir noch weit entfernt. Die Banken agieren wieder so wie vor der Finanzkrise und das mit der Deckung mancher Regierung.
Eine abgestimmte, gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik aller Euro-Länder halte ich für nicht durchsetzbar. Den Rettungsschirm zu erweitern mit dem Argument, es werde schon im Rahmen eines Paktes für mehr Wettbewerbsfähigkeit zu einer gemeinsam abgestimmten Finanz- und Wirtschaftspolitik kommen, halte ich für leichtfertig.
Der Aufkauf von Anleihen maroder Mitgliedsstaaten durch die EZB ist der nächste Sündenfall und Trichets Niederlage. Die EZB musste deshalb ihr Grundkapital verdoppeln.
Wir sind auf dem Weg in eine Transferunion, in der Deutschland der Zahlmeister sein soll. Die vier Wirtschaftsverbände BDI, BDA, ZDH und DIHK warnen die Regierung eindringlich vor einer Schuldenunion, in der die Schulden „vergemeinschaftet“ werden.
„Die Weltwirtschaft stand 20 Jahre lang unter Drogen, und nun muss sie ohne sie auskommen. … Deutschland hängt mit seiner Exportorientierung am Tropf der Weltwirtschaft und deren Perspektiven sind alles andere als uneingeschränkt positiv … Die Aufräumarbeiten werden noch Jahre dauern.. Denn die Krise hat Ursachen, die weit zurückreichen“, sagt Paul Achleitner, Finanzvorstand der Allianz, im Focus (39/2010).
Haben wir das Schlimmste hinter uns oder stehen uns die größten Turbulenzen noch bevor?
Fredmund Malik, Professor aus Sankt Gallen, sagt dazu im Handelsblatt vom 10.03.2011:
„Die größten Schwierigkeiten stehen noch bevor und mit den konventionellen Denkweisen werden sie nicht bewältigt werden können. Die bisherigen Maßnahmen zur Lösung der finanziellen Seite der Krise haben zwar Zeitgewinn gebracht, und eine partielle Erholung, aber so gut wie keine der Krisen-Ursachen wurde dadurch beseitigt. Mit den gigantischen Finanzmitteln hat man im Gegenteil die alten Strukturen zementiert, statt die nötigen Veränderungen herbeizuführen. Wenn weiterhin herkömmliche ökonomische Denkweisen, Management- und Regierungsmethoden angewandt werden, wird es zu einer der größten Deflationen und Wirtschaftsdepressionen kommen, zur Verarmung weiter Teile des Mittelstandes, zu Massenarbeitslosigkeit, Unternehmensbankrotten, reihenweise Bankenzusammenbrüchen und zu zahlreichen Staatsbankrotten. es wird auch zu sozialen Unruhen und zur Radikalisierung großer Bevölkerungsgruppen kommen.“
Wir haben uns also eine Atempause in der Schuldenkrise genommen.
Gerade erst hat eine Kommission des US-Kongresses ihre Untersuchung der Finanzkrise abgeschlossen. Das Ergebnis ist ein 600 Seiten starker Bericht, in dem sich viele erschreckende Belege für die Kurzsichtigkeit von Bankern finden, für ihr Missmanagement, ihre Selbstüberschätzung, ihre Fahrlässigkeit, ihre Gier und schlicht ihre Dummheit.
Was den Bericht so beunruhigend macht, ist die Feststellung, dass sich an den grundlegenden Problemen kaum etwas geändert hat. Im Gegenteil: Die überlebenden Großbanken etwa sind noch größer geworden. Und mit ihnen die Gefahr, dass sie das Finanzsystem und die Wirtschaft mitreißen, wenn sie in Schwierigkeiten geraten … Es geht um die nächste Katastrophe … „Die Finanzkrise 2015“ heißt die Studie der Beratungsfirma Oliver Wyman … Glaubt man den Autoren, war 2008 nichts als ein Vorspiel. So stellen sich die Wyman-Experten den Ablauf des kommenden Desasters vor:
Angesichts der sinkenden Margen und Renditen wandern Talent und Kapital von den Banken zu den Schatteninstitutionen wie Hedgefonds, die einen Boom erleben. Die Schatteninstitutionen entwickeln neue Vehikel, die etwa Kreditgeschäfte direkt zwischen Investoren und Schuldnern ermöglichen, und das direkt an den regulierten Banken vorbei. Die Vergabepraktiken sind gefährlich lax, doch kein Aufseher fühlt sich zuständig.
Banken weichen den strikten Vorgaben aus, indem sie verstärkt in Schwellenländer abwandern … Mittels komplexer Transaktionen nutzen sie Lücken …
Die Schwellenländer werden dank günstiger Bevölkerungstrends und Deregulierung stetig weiterwachsen. Allen voran China. Investoren und Banken finanzieren milliardenschwere Infrastrukturprojekte. Das heizt die Spekulation um weiter steigende Rohstoffpreise weiter an.
Dann platzt die Blase − die Marktteilnehmer erkennen, dass das Wachstum … sich verlangsamt. An den Märkten für Rohstoffe bricht Panik aus …
Der Höhepunkt der Weltkrise: Die Schuldenberge in den USA und Europa werden untragbar. Mehrere Industrienationen erklären den Bankrott.
Die bisherigen Reformen in Europa und in den USA können eine solche Weltkrise nicht verhindern. Zwischen den Regulierern und den Finanzinstituten sei es wie zwischen Katzen und Mäusen, schreiben die Wyman-Analysten. „Die Mäuse gewinnen am Ende immer.“ Gemeint sind damit die Finanzprofis …
„Der Countdown läuft bis zur nächsten Krise.“
Die Zeit, Nummer 6 vom 3.2. 2011
Dieses Szenario halte ich nicht für ausgeschlossen. Die Wahrscheinlichkeit nimmt stetig zu.
Auch die vielfältigen, sehr negativen Auswirkungen des Störfalls in Fukushima sind in dem vollen Ausmaß nicht vorhersehbar.
Wir schauen alle gebannt zu und hoffen, dass es anders kommt. Aber die Finanzkrise vor zwei Jahren haben wir auch nicht erwartet, obwohl alle Auslöser bekannt waren. Wir wollten es einfach nicht wahrhaben. Das ist ja auch allzu menschlich.
Wenn Deutschland 2.000 Mrd. Euro Schulden angehäuft hat, dann haben wir um diesen Betrag über unsere Verhältnisse gelebt und das schon lange Zeit, in der Hoffnung, dass es schon in der Zukunft nicht so schlimm kommen würde, wie die pessimistischen Propheten es verkünden.
Wir werden das äußere Wachstum, das wir zur Lösung der äußeren Probleme brauchen, nicht erreichen. Die Enttäuschung wird groß sein, aber man weiß es eigentlich schon heute. Die ständig wachsende Neuverschuldung würgt das zukünftige Wachstum ab und beschleunigt den Rückgang der Wirtschaftsleistung, aber eben erst später. Die Politiker verschieben die Krisenauswirkung in die Zukunft unserer Kinder. Die ersten Anzeichen von Handelshürden, Währungskriegen und Kapitalkontrollen sind schon da. Der freie Welthandel wird Schaden nehmen.
Nichts wächst immer, nicht in der Wirtschaft, in der Natur und im Universum. Das einzige, was immer gilt, ist das „Stirb und Werde“.
Ein „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ für Inneres Wachstum als Kompensation des rückläufigen äußeren Wachstums − das wär’s!
Der Schwarze Schwan und seine Auswirkungen haben mich sehr ermutigt, jetzt ein Buch zu schreiben. Es eilt, weil die Menschen eine neue Orientierung brauchen, um den Abschied von der alten Orientierung durchzustehen, geistig und materiell.
Am 23. Dezember 2009 brachte die ARD die Sendung „Auf den Spuren Alexander Humboldts“. Dieser Film zeigt auf Kuba die Armut und die immer noch herrschende Rassendiskriminierung. Wie das Ritual der„Santeria“ zeigt, herrscht noch die Religion der Naturgötter. Es wird in der Sprache Yuruba (nigerianischer Ursprung) gehalten. Ein Teilnehmer sagte: „Wenn in Zeiten der Krise materielle Leere herrscht, begibt der Mensch sich auf die Suche nach Spiritualität.“
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