Höre ich die Nachrichten, bin ich jedes Mal zutiefst erschüttert, ja fassungslos, welche Grausamkeit unter den Menschen herrscht. Gier und Hass, Neid und Überheblichkeit und nicht zu vergessen, eine unglaubliche Dumpfheit zieht sich durch unser Menschsein. Und nun steht Weihnachten vor der Tür, das Fest der Liebe. Es scheint wie ein Hohn, an ein paar Tagen eine schöne, heile Welt vorzugaukeln und man könnte sich fragen: Sollte man nicht ehrlichkeitshalber das Fest weglassen? Oder das Fest lieber dazu nutzen, um auf all die Ungerechtigkeiten dieser Welt hinzuweisen, was dem Festcharakter und der feierlichen Stimmung nicht sehr zuträglich wäre. Ich glaube, Weihnachten zu feiern, ist wichtiger denn je. Im Alltag sind wir so in unseren Aufgaben verstrickt. Wir werden von unserem nörgelnden Geist, der mit nichts zufrieden ist, vereinnahmt. Wie befreiend wäre es, uns wenigstens an den Feiertagen aus diesem „normalen“ Leben mit seinen Streitigkeiten und Grausamkeiten herauszunehmen. In den wenigen Tagen hätten wir die Möglichkeit, uns zu besinnen, worum es im Leben wirklich geht, welche Chance wir als Mensch haben und welche Verantwortung. Weihnachten steht als Fest dafür, uns klar zu machen, dass wir Menschen zu Liebe fähig sind und sie auch verwirklichen können. Wir brauchen keine "Raubtiere" zu sein. Wir haben eine ganz andere Natur. Wir haben die Natur eines Kindes, das sich absichtslos, frei und offen dem Leben in jedem Augenblick vertrauensvoll hingibt. Diese Natur lässt uns lächeln, stimmt uns milde und freundlich. Schauen Sie nur in einen Kinderwagen und denken an nichts, gleich verändert sich Ihre Stimmung, die verbissenen Lippen werden weich, die Härte verschwindet aus dem Gesicht. Der große Zen-Meister Dogen Zenji schrieb, wenn wir Zazen praktizieren, praktiziert es der ganze Kosmos. Entfalten wir den friedfertigen Geist, entfaltet er sich auf der ganzen Welt. Diese Aussage macht Ernst mit der Erkenntnis, dass wir alle miteinander verbunden sind, wir sitzen alle in einem Boot. Wie ein Netz sich bewegt, wenn ich nur an einem Knoten ziehe, so bewegt mein Denken das ganze Gedankennetz der Welt. Mein Denken und Handeln wirkt sich auf das Denken aller aus. Doch wir haben verlernt auf unser Denken bewusst Einfluss zu nehmen. Gier, Angst und Hass fressen es auf und dann wundern wir uns, dass die Welt davon durchtränkt ist. Unsere Gedanken zu beherrschen, ihnen nicht einfach freien Lauf zu lassen und sie auch noch zu Worten und dann zu Taten werden zu lassen, ist unsere Verantwortung, die wir für diese Welt haben. Weihnachten ist eine Gelegenheit, zu üben, diese destruktiven Gedanken zurückzustellen. Wir werden die Wirkung in uns und auch bei den anderen schnell merken. Daher möchte ich Mut machen, Weihnachten und auch die anderen Tage zu nutzen, darauf zu achten, dass sich herabsetzende und verurteilende Gedanken nicht unseres Denkens bemächtigen. Stattdessen möge die Offenheit, die Absichtslosigkeit, das Vertrauen und die Freundlichkeit unseres inneren Kindes in uns Raum einnehmen! Die Anlage dazu haben wir, wir brauchen sie nur zu nutzen. Oder wie Rilke einst schrieb: "Du musst das Leben nicht verstehen, dann wird es werden wie ein Fest. Und lass dir jeden Tag geschehen so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen sich viele Blüten schenken lässt." |